Europäischer Architekturpreis für das Lesezeichen Salbke

Lesezeichen Salbke

Die Landeshauptstadt Magdeburg wurde für die Freiluftbibliothek Lesezeichen Salbke kürzlich mit einem europäischen Architekturpreis geehrt. Damit würdigte eine hochkarätige internationale Jury den kulturellen und architektonischen Anspruch der Bibliothek. Der European Prize for Urban Public Space wird an ausgewählte Projekte verliehen, die sich um den öffentlichen Raum verdient machen sowie seine Nutzung und seine Rolle für das gesellschaftliche Leben fördern.

Die beiden Preisplaketten nahmen der Leiter des Stadtplanungsamtes Heinz-Joachim Olbricht und der Architekt Stephan Rettich vom Büro Karo-Architekten aus Leipzig kürzlich in der spanischen Hafenstadt Barcelona aus den Händen von Jurypräsident Rafael Moneo entgegen. Eingeladen hatte das Centre de Cultura Contemparania de Barcelona (CCCB), das den Preis für die vorbildliche Gestaltung und Entwicklung öffentlicher Stadträume seit 1999 verleiht. Zum Jurykomitee gehörten Vertreter international renommierter Institutionen wie die Architecture Foundation (London), die Cité de l'Architecture et du Patrimoine (Paris) und das Deutsche Architekturmuseum (Frankfurt am Main).

Für die Preisverleihung waren mehr als 300 Architekturprojekte eingereicht worden. Magdeburg teilt sich den 1. Platz mit der norwegischen Hauptstadt Oslo, die für die rund 500 Mio. Euro teure neue Oper geehrt wurde. Das Salbker Lesezeichen hatte rund 400.000 Euro gekostet. Platzierungen gingen an die Architekturprojekte Strandpromenade Benidorm (Spanien, Kosten: 10,6 Mio. Euro), Fischer-"Hütten" Cangas de Morrazo, (Spanien, 1,2 Mio. Euro), Theater Podium Rotterdam (Niederlande, 1,15 Mio. Euro) und Passage 56 Paris (Frankreich, 80.000 Euro).

PreisverleihungIm Rahmen der Preisverleihung dankte der Leiter des Stadtplanungsamtes allen Projektbeteiligten des Lesezeichens und hob dabei besonders den Bürgerverein Salbke, Fermersleben, Westerhüsen als Mitinitiator und Betreiber hervor. Heinz-Joachim Olbricht unterstrich gleichzeitig die Beispielhaftigkeit des Lesezeichens für einen unter Strukturveränderungen stehenden Stadtteil und ging auch auf die Potentiale des Stadtteils sowie auf die städtebauliche und soziale Bedeutung des Lesezeichens für Salbke ein. Der Architekt Stephan Rettig stellte die Historie des Projektes und die Bürgerbeteiligung sowie die Funktionen und Gestaltungsprinzipien der Freiluftbibliothek vor.

Das als Standregal konzipierte Salbker Lesenzeichen war von Oberbürgermeister Dr. Lutz Trümper und Vertretern des Bürgervereins Salbke, Fermersleben, Westerhüsen e.V. am 20. Juni 2009 eröffnet worden. Die Bücherwand mit den Buchvitrinen steht den Lesern und Nutzern rund um die Uhr offen.

Für die Darstellung der Aktivitäten im Stadtteil sowie für Sponsoren, die den Bürgerverein beim Betrieb der Freiluftbibliothek unterstützen, sorgen Präsentationsvitrinen. Eine Sitzbank entlang der Bücherwand sowie als Leseinseln konzipierte Sitznischen laden zum Verweilen ein. Jugendlichen steht ein Freibereich zur Verfügung. Am Rande der Open-Air-Bibliothek steht eine Bühne, die für Auftritte von Bands, aber auch für andere Veranstaltungen - zum Beispiel von der Schule und der Kirche oder von Kultur-Akteuren - genutzt werden kann.

Das Salbker Lesezeichen ist die erste Freiluftbibliothek in Magdeburg, ein Symbol für den Wandel in den südöstlichen Stadtteilen und eine Station des Magdeburger IBA-Pfades, der die städtebauliche Entwicklung am Fluss widerspiegelt und zeigt, wie Magdeburg in den vergangenen Jahren immer näher an die Elbe gerückt ist. Die Bauzeit hatte rund sechs Monaten betragen. Auf Wunsch der Stadtteilbewohner war für die Freiluftbibliothek auch Recycling-Material verbaut worden. So besteht die Fassade aus Aluminium-Modulen, die früher ein großes Warenhaus in Hamm zierten.

Hintergrundinformationen

Die Geschichte des Salbker Lesezeichens hatte im Oktober 2005 als städtebauliches Experiment im Rahmen des IBA-Flächenmanagements begonnen. Auf einer verwilderten Brachfläche war damals für zwei Tage eine temporäre Freiluftbibliothek aus leeren Bierkästen aufgebaut. Die Leitung dieses Projektes hatten die Büros Architektur + Netzwerk aus Magdeburg und Karo-Architekten aus Leipzig übernommen.

Im Anschluss daran war es der Landeshauptstadt Magdeburg gemeinsam mit den Planern gelungen, Fördermittel für die Planung und den Bau des Lesezeichens einzuwerben. Aus mehr als 100 Bewerbungen war das "Salbker Lesezeichen" ausgewählt und als eines von sieben Modellvorhaben für den Bereich "Innovationen für familien- und altengerechte Stadtquartiere" vom Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung im Rahmen des Forschungsprogramms "Experimenteller Wohnungs- und Städtebau" finanziell gefördert worden. Im Rahmen einer zweiten, umfangreichen Planungsphase war gemeinsam mit den Bürgern aus Salbke in mehreren Workshops und einem Planungs-Camp die endgültige Form und Funktion des Lesezeichens entwickelt worden.

Die Grundsteinlegung für das Salbker Lesezeichen war am 6. Dezember 2008. Den Außenanlagen der Bürgerbibliothek den letzten Schliff gaben Jugendliche bei einer Graffiti-Aktion mit dem Duo Marcel Meyfarth und Kenneth Bidler am 6. Juni 2009. Sie verzierten den Betonsockel des Lesezeichens mit Schriftzeichen. So hinterließ jeder Sprayer mit einem "tag" seine ganz persönliche Unterschrift. Ziel dieser Aktion war es, nicht nur dem Betonsockel eine persönliche Note zu geben, sondern Jugendliche aktiv in die Gestaltung der Bibliothek einzubeziehen und sie für die zukünftige Nutzung zu begeistern.

Parallel zu den Planungen für den Bau des Lesezeichens hatten Salbker Bürger eine Bürgerbibliothek aufgebaut. Diese ist seit ihrem Anfangsbestand von 1.000 gespendeten Büchern im Oktober 2005 auf mittlerweile über 30.000 Exemplare mit einem festen Leserstamm angewachsen.

Donnerstag, 28.03.2024